Die
magnetischen Kathedralen der Sonne
„Was ist,
hast du deine Pläne geändert, kommst du zurück, oder drehst du noch ein paar
Runden?“ sagte sie, wie schon so oft. Ihre Stimme war etwas weniger fordernd
geworden, den verächtlichen Unterton bereute sie, hätte ihn am liebsten wieder
ungeschehen gemacht, doch die Botschaft war jetzt auf dem Weg in Richtung
Sonne... Und wie immer drückte er sich um eine konkrete Antwort: „ja, vielleicht,
wahrscheinlich nicht.“
Sosehides sagte ihr, er wolle seine Forschungen, an denen er schon seit Jahren arbeitete - in Wirklichkeit waren es schon Jahrzehnte - fortsetzen: die Sonnenoberfläche noch genauer beobachten; wie die Magnetfeldbögen entstehen, wie sie mit Strömungen im Sonneninneren zusammenhängen, wie schnell sie ihre Position, die Größe, die Neigung verändern, ob sie diese abrupt verändern, wie sie wieder verschwinden. Und die Eruptionen, ob sie sich vorhersagen lassen, und ob sie mit anderen Erscheinungen in Zusammenhang stehen. Eigentlich wusste er schon alles über die Sonne – fast alles. Ein Phänomen, das er immer wieder bei den gigantischen magnetischen Bögen beobachtet hatte, konnte er sich einfach nicht erklären, es schien seinen Theorien zu widersprechen und drohte seine Erklärungen zur Sonnenphysik zu verbiegen oder sogar ganz umzuwerfen.
„Dein
Vorhaben, in die Korona abzutauchen, das hast du doch schon lange aufgegeben.
Oder willst du doch noch? Tu´s nicht! Du weißt,
von den 3 unbemannten Sonden zur Sonnenbeobachtung, die vor 7 Jahren gestartet
sind, hatte eine genau diesen Auftrag: sie hat sich der Sonne auf 20tausend km
genähert und ist – planmäßig - in der
Korona verdampft. Die wissenschaftliche Auswertung der Daten ist noch nicht
abgeschlossen. ... Aber deine Mission, die ist schon lange überflüssig!“
Er bedankte sich für den Hinweis. Er wusste selbst schon lange, dass er kaum eine Chance hatte, aus den Kathedralen der Sonnenkorona jemals lebend wieder herauszukommen, wenn er sich mit dem Raumschiff in sie hineinbegeben sollte, jenen von gigantischen Magnetfeldern erzeugten riesigen Hallen, die sich mehrere Zehntausend Kilometer über die Sonnenoberfläche erheben. Die technischen Einrichtungen zum Schutz von Raumschiffen gegen Hitze, Strahlung, Sonnenwind und Magnetfelder waren zwar enorm verbessert worden. Die gesundheitlichen Schäden durch die hohen Beschleunigungen konnten auf ein Minimum reduziert werden. Doch irgendwo gab es eine Grenze. Auch wenn manche dieser Kathedralen mehrere Tage oder sogar Wochen sich aufrecht hielten, sie waren zu kurzlebig und zu variabel und beweglich, um den Kurs eines Raumschiffes danach ausrichten zu können. Selbst mit dem zehnfachen oder sogar hundertfachen Abstand über den Magnetfeldbögen war es noch zu gefährlich.
Starke Magnetfelder, die im Sonneninneren ihren Ursprung haben, bilden
in der Korona Bögen, Hallen, ganze Magnetfeldkathedralen. Sie werden sichtbar,
indem sie den Sonnenwind und das Plasma stark aufheizen und zum Leuchten bringen.
Meist befand sich das Raumschiff weit innerhalb des Umlaufs von Merkur auf einer langgestreckten elliptischen Bahn, welche über die Polkappen der Sonne führte und die Äquatorebene und Ekliptik durchkreuzte. Zur Zeit war das Raumschiff mit 30 Millionen km etwa halb so weit wie Merkur von der Sonne entfernt. Als S. einmal auf einer stark exzentrischen Bahn sich dem Perihel, dem nächsten Bahnpunkt zur Sonne mit nur 6 Millionen km Abstand näherte, geriet er in die Nähe eines besonders starken Sonnenwindes und hätte das beinahe nicht überlebt. In solchen Situationen musste das schwerfällige Raumschiff mit hohem Energieaufwand möglichst schnell ausweichen. Er musste dann in ein künstliches Koma versetzt werden und kam tiefgefroren in die bleiummantelte Kammer, und mit hoher Beschleunigung wurde eine andere Umlaufbahn angesteuert. So waren die auf den Körper wirkenden Kräfte und die Strahlung zu überstehen.
Und wenn er wieder erwachte, hing er tagelang in einem zähen Schmerz fest, gefolgt von einer endlosen Müdigkeit, schwer, grau, in einen Nebel getaucht, die Nebeltropfen unendlich langsam um ihn herumtanzend, kreuz und quer, chaotisch, aber langsam. Irgendwann dann wurden die Tröpfchen zu flimmernden Glimmerpartikeln, die das Sonnenlicht aufblitzend reflektierten. Das Gehirn wurde aktiv, einzelne Assoziationen, ohne konkrete Gedanken, traumhafte Bilder, pulsierende Formen der Sonnenkorona wechselten ab mit Landschaften auf der Erde, Flüsse, Berge, Hügel, dann weibliche Körper, der Wunsch nach Berührung, das Verlangen nach Zärtlichkeit machte ihn wach. Er musste dann etwas tun, er zeichnete, Menschen, Figuren aus der Erinnerung, dazu hörte er träumerische Musik, er fand so wieder in die Realität zurück...
„Oder
spielst du immer noch mit dem Gedanken, dort hinzufahren? Dein Raumschiff würde
ein Opfer der nuklearen Sonneneruptionen, wie eine Fliege von der langen Zunge
eines Gekos aufgeleckt. Hör mir zu, wenn ich mit dir rede“, dann etwas sanfter:
“Was schreibst du da eigentlich die ganze Zeit? Immer schreibst du etwas, wenn
ich mit dir rede.“ Eine Viertelstunde
hatte sie jetzt Zeit, bis seine Antwort sie erreichen würde. So liefen ihre
Unterhaltungen, manchmal stundenlang. Ein Monolog, meist gebündelt mit einer
Reihe von Fragen, und dann warten; bei alten Eheleuten spielt sich das wahrscheinlich
auch nicht viel anders ab, so dachte sie manchmal. Ihm gab es ein wenig das
Gefühl von Alltag in menschlicher Gemeinschaft.
Sosehides
zeichnet seine Chefin
Sosehides
antwortete ausweichend. Er murmelte etwas von Sonnenbuch, er müsse sich etwas notieren,
damit er es nicht vergesse, während er versuchte, sie vom Bildschirm abzuzeichnen.
Sie war mit etwas beschäftigt während sie redete, sie formte etwas mit ihren Händen,
einen bizarren Gegenstand auf ihrem Schreibtisch, zwischen Zetteln, Ordnern, einem
Glas Wasser, einer Schale Obst, er konnte es nicht genau erkennen,... Die Zeit
schien sich für Sosehides aufzulösen. Das, was er auf dem Bildschirm sah, war
schon Vergangenheit, er selbst war für sie Zukunft, was nahm sie jetzt im Augenblick
von ihm wahr? Es stellte sich eine
Gleichzeitigkeit ein, mit Antworten, die ihn vor seinen Fragen erreichten, eine
Art Gedankenübertragung parallel zu den Gesprächsfetzen. Er betrachtete sie,
seine Chefin und ehemalige Frau, ihr silbriges Haar, das silbrige
durchscheinende Kleid, Details ihres Körpers, ihre Brustbeeren waren zu
erkennen, ihre Schönheit, war es real? Wie konnte es sein, nach so vielen Jahren.
Sie war doch schon alt.
Sosehides
legte die Zeichnung weg, wie fast immer, war er nicht sehr zufrieden mit dem Ergebnis.
Es musste schon fast ein halbes Jahrhundert her sein. Sie waren einander zugeteilt worden, zum gemeinsamen Leben und zum Arbeiten, andere Aufgaben waren für sie nicht vorgesehen. Sie bekamen eine Wohnung und arbeiteten zusammen, erst bei der Entwicklung von menschenähnlichen Robotern, dann auf dem Rheintalareal für Kernkraftwerke beim Aufbau neuer Reaktoren, und zuletzt beim angeschlossenen Reaktor des Forschungsinstitutes für Kernfusion. Ihnen wurde eine gemeinsame Wohnung zugewiesen, sie hatten neben der Arbeit sehr viel Zeit für sich. 3 oder 4 Jahre lebten sie zusammen, nur eine kurze Zeit, ein paar Jahre Glück. Ein Jahr Glück ist mehrere Leben wert, hatte er irgendwo einmal gehört.
Bad-Ende
Eine Zeit in liebevoller Zuneigung und mit intensiven Zärtlichkeiten, hingebungsvollen körperlichen Berührungen bei jeder Gelegenheit, bei Spaziergängen, bei den regelmäßigen Tangotanzkursen, beim gemeinsamen Bad, die Überwachungskamera im Badezimmer war ständig defekt ... aber dann doch mit viel zu wenig und meist gefühlsarmen Sex, immer unter medizinischer Kontrolle und in zahllosen Supervisionsgesprächen diskutiert, so wie es das Gesetz verlangte. Höchstens eine Handvoll schöner sexueller Erlebnisse, praktisch gar nichts, so hatte Sosehides es damals empfunden.
Trotzdem, es war eine glückliche Zeit, sie waren sehr ausgeglichen und konnten sich neben dem privaten Leben sehr gelassen der beruflichen Entwicklung widmen.
Wie von selbst wurde sie immer mächtiger, alle gehorchten ihr. Sie war nicht herrschsüchtig. Sie war sehr sanft und hörte gut zu, sie dirigierte ihre Mitmenschen fast unmerklich. Sie wurde Institutsleitin, dann Chefin des Areals, irgendwann Chefin von Erd-Energie. Nach dem schweren Unfall im Fusionsreaktor, bei dem Arbeiter verglühten und ein großer Teil des Geländes radioaktiv verseucht wurde, was man bis dahin bei einem Fusionsreaktor nicht für möglich gehalten hatte, brach ihre Karriere nicht ab. Sie meisterte die Krise und baute ihre Macht aus, und das obwohl die Reaktoren immer noch nicht die Energie lieferten, die man sich erhofft hatte, die Sicherheitsprobleme immer noch nicht gelöst waren, der Energiehunger der Weltbevölkerung immer noch nicht gestillt war.
Das war auch die Zeit, in der fast unmerklich die letzten Männer aus den Führungsetagen verschwanden, hier im Rheintalareal, wie auch sonst überall auf der Erde. Junge und alte Frauen übernahmen alle leitenden Aufgaben, mit spielerischer Leichtigkeit, aber auch mit unerbittlicher Strenge. Sie dirigierten die Gesellschaft, ihr Erscheinungsbild entsprach ihrem Wesen, immer elegant in grau gekleidet, metallisch silbergrau, oder graphitfarbene Blusen und Röcke, auch in enganliegenden Hosen, meist etwas durchscheinend, oder seidenglänzend, manchmal leger aus scheinbar verschlissenen grauen Stoffen, aber trotzdem ansprechend, selten ein Hauch von Farbe durch einen Perlmutterglanz, elegante Schuhe, sportlich, oder auch solche mit hohen Absätzen, wie aus Aluminium gefertigt, oder aus geflochtenen silbrigen Bändern, aus zinngrauem Schlangenlederimitat... Die Gebäude für die Führung an den sonnenbeschienenen seitlichen Berghängen des Rheintales, stielvoll, niedrig und terrassenförmig angelegt, halb verborgen unter großen Bäumen in parkähnlichem Gelände.
Die buntgekleideten Männer waren aus allen Führungspositionen verdrängt, aufgescheucht wie ein Schwarm Papageien aus der Krone eines Urwaldbaumes. Sie hatten hier, wo alles reibungslos funktionierte, nichts verloren, nichts zu suchen. Entweder waren sie zu starr und bewegungslos, oder zu unruhig und quirlig. Die meisten arbeiteten in technischen Berufen. Dort war ihr Erfindungsreichtum und ihre Phantasie noch gefragt.
Auch Sosehides
hatte sich anfangs im Forschungsinstitut weiterentwickelt. Doch steigerte er
sich dann in seine Wissenschaftsideen
hinein und drängte die Forschung in eine bestimmte Richtung, in seine Richtung:
die magnetische Wärmepumpe. Er war mit seiner Idee, seiner Laufbahn und mit der
Beziehung zu seiner Frau gescheitert.
Er war
schuld, sagte sie, er habe sich mit seinen verrückten Ideen und seiner
beruflichen Entwicklung zu sehr von ihr und zu weit von der Wirklichkeit
entfernt. Die versiegende Liebe, die vielen Missverständnisse, die gegenseitigen
Vorwürfe, der unbefriedigende Sex, all das war schuld, sagte er. Die Überwachungskamera
im Bad war schuld, die endlich repariert war, dachten beide.
Massage und
Pflege
Er war
verbittert. Er reagierte gereizt auf seine Arbeitskollegen, die seine Ideen
nicht verstanden, aggressiv und unfreundlich
Vertretinnen des weiblichen Geschlechtes gegenüber, die ihn herumdirigierten und
ihm sagten, was er zu tun und lassen hätte.
Er vergaß
alles Schöne aus der gemeinsamen Zeit mit seiner Frau. Erst sehr viel später,
auf seiner Reise zur Sonne, erinnerte er sich wieder an die gemeinsamen
Stunden, ihre Zärtlichkeiten, das gemeinsame Duschen, wenn sie sich berührt hatten,
wie er ihre Haut eingecremt und ihren Rücken massiert hatte ...
Die
Entscheidung, an dem solaren Forschungsprojekt teilzunehmen und sich von der
Erde zu verabschieden, war ihm leichtgefallen. Als eine Frauundmannschaft auf
einem Forschungsraumschiff zur Sonne geschickt werden sollte, ergriff er die
Gelegenheit, um seine ungeliebte Umgebung verlassen zu können. Er war mit
dabei.
Es hatte
noch Jahre gedauert, ewige Vorbereitungen. Ein alter Raumtransporter wurde für
Forschungszwecke umgerüstet und ´Solaris´ getauft. Ganze Bereiche der Station
wurden mit dicken Bleiwänden ausgekleidet, noch nie hatte es ein schwereres Raumschiff
gegeben. Starke Spulen wurden in einer komplizierten Anordnung so installiert,
dass gegebenenfalls ein magnetischer Schutzschild um die Station errichtet
werden konnte, um den Strahlenbeschuss von ionisierten Teilchen ablenken zu
können.
Doch
mittlerweile war schon eine Vielzahl von einfacheren unbemannten
Forschungssonden im Sonnensystem unterwegs, auch in Richtung Sonne. Andere mit
Astronauten bemannte hochmoderne Raketen wurden zu den Monden von Saturn und
Jupiter und zu Asteroiden geschickt. Von der Frauundmannschaft der Solaris wurde
ein Astronaut nach dem anderen abgezogen und diesen Missionen zugeteilt, das
Projekt Solaris drohte zu scheitern.
Sosehides
Beharrlichkeit war es zu verdanken, dass das Projekt doch noch zustande kam..
Er war als Techniker und Navigator übriggeblieben, nachdem alle anderen
Astronauten durch Maschinen ersetzt und Forschungsaufgaben automatisiert worden
waren. Er, mit einem Trupp Maschinenmenschen,
ausschließlich Robotinnen, denn selbst
bei diesen Wesen waren die weiblichen einfach besser.
Die lange
Anreise auf dem altmodischen, schwerfälligen Raumschiff, die Gewöhnung an den
Alltag, wenn man von ´Tag´ überhaupt reden konnte, die Forschungsarbeit, der
ausgiebige und perfekte, nicht überwachte, aber immer mit einer Spur Ekel
verbundene Sex mit den Robotinnen, der allmählich, über die Jahre, oder über
Jahrzehnte?, immer seltener wurde, warum? Sosehides dachte nicht darüber
nach... Die allmähliche Annäherung an die Sonne in immer engeren Umlaufbahnen,
wie lange kreiste er jetzt schon um die Sonne?
„Was ist
das für ein Unsinn,“ nahm Sosehides das Gespräch wieder auf, „nukleare Explosionen?
Kernverschmelzungsprozesse, was ihr in eurem Fusionsreaktor nachzubilden
versucht, und was euch immer noch nicht gelungen ist, das Verschmelzen von Wasserstoff-Atomkernen
zu Helium-Atomkernen, das gibt es nur im Sonnenkern, dem eigentlichen Sonnenofen,
nicht aber in den äußeren Bereichen. Und Kernspaltung, das gibt es auf der ganzen
Sonne nicht. Es gibt dort ja auch keine Urananreicherung, oder sonst irgend
eine Konzentration von schweren radioaktiven Elementen, welche eine nukleare
Kettenreaktion auslösen könnte. Aber das alles habe ich doch schon beschrieben
und 100mal gesagt!“
„Die
theoretischen Überlegungen und Simulationen unserer Wissenschaftlinnen haben
aber ergeben, dass dies sehr wohl möglich ist! Was soll es denn sonst sein?
Schwarzpulver oder Dynamit wird es ja dort oben wohl kaum geben.“
„Das kann
ich dir erklären, nimm z.B. das Glas Wasser auf deinem Schreibtisch. Wasser
besteht aus Molekülen, Moleküle aus Atomen, Atome aus Elektronen, Protonen und
Neutronen. Wenn es dir gelänge, alle Elektronen in ein Glas zu packen, die
Protonen in ein anderes, und die Neutronen – die Neutronen sonst wo hin, dann
hättest du zwei gewaltige Bomben, denn
die Elektronen für sich genommen streben mit ungeheuerer Kraft auseinander,
wenn sie nicht von den Protonen im Zaum gehalten werden, und umgekehrt ebenso
die Protonen. Solche Elektronen- und Protonen-Konzentrationen sind für die
Sonneneruptionen verantwortlich.“
„Ja, ja, und wie bitte kommt es zu solchen Elektronen- und Protonen-Ansammlungen? Die elektrische Spannung zwischen solchen Polen würde doch sofort einen elektrischen Strom erzeugen und den Ausgleich wieder herstellen!“
Materie-Ströme
und elektrische Ströme; dort wo ein Materie-Strom ein Magnetfeldbündel
durchkreuzt, werden positive und negative Ladungen getrennt; an anderer Stelle
streben sie wieder zusammen.
Ob und wie
es zum Ladungsausgleich kommt, das war Sosehides auch nicht völlig klar. Sicher
führen elektrische Ströme im Sonneninneren teilweise zu einem Ausgleich, das
Sonnenmaterial ist ja teilweise ionisiert, somit elektrisch leitfähig und
durchzogen von elektrischen Strömen. Vergleichbare Ströme waren ja seit langem
auch schon von der Erde bekannt, sie durchqueren dort die Ozeane, Kontinente ,
ja selbst das Erdinnere.
Dass große
Mengen Protonen und Elektronen, jeweils
getrennt, als Sonnenwind in den Weltraum geschossen werden und überhaut
nicht mehr zusammen finden, das war auch schon lange bekannt; solche Stürme
erreichten auch immer wieder die Erde und verursachten dort Polarlichter, oder
brachten die Elektronik von Satteliten durcheinander.
Dass die Protonen und Elektronen irgendwo sich wieder zusammenfinden und zu Wasserstoffatomen rekombinieren, das konnte Sosehiders sich nicht vorstellen, auch wenn er schon oft darüber nachgegrübelt hatte.
kurze
Kürzung 1
Strömungswirbel im Inneren der
Sonne erzeugen stark gebündelte Magnetfelder
Wie es jedoch vor der Entladung zu den Aufladungen auf der Sonne kommt, darüber hatte Sosehides eine klare Vorstellung: „Die Sonne ist ein Flüssigkeitstropfen im All. Der obere Bereich des Sonneninneren, oberhalb des eigentlichen Sonnenofens mit den Kernverschmelzungsprozessen, ist durchzogen von einem Gewirr von auf und absteigenden und auch quer verlaufenden Konvektionsströmungen, die immer wieder Wirbel erzeugen, wie Meeresströmungen auf der Erde...“ Sosehides kramte einige Skizzen hervor, auf denen er seine Vorstellungen vom Sonneninneren schemenhaft dargestellt hatte.
„Die aufsteigenden
Strömungen sind der Motor für das ganze Geschehen, sie transportieren
Wärmeenergie aus dem Inneren zur Oberfläche, wo sie in den Weltraum abgestrahlt
wird. Dort, wo die Konvektionsströmungen die Magnetfelder, die das Sonneninnere
durchdringen und weit in die Umgebung der Sonne hinausreichen, durchkreuzen,
dort zieht es die Protonen in die eine
Richtung und die Elektronen in die andere, es kommt zur elektrischen Aufladung.
Nach dem selben Prinzip wird in Generatoren Strom erzeugt. Auch auf der Erde entstehen auf diese Weise elektrische Aufladungen und gigantische Ströme: dort wo Meeres- und Gezeitenströmungen das Erdmagnetfeld durchkreuzen. Man kann diese Ströme im Landesinneren noch 100te km von der Küste entfernt messen, sie spiegeln die Bewegungen der Ozeane und das Auf und Ab von Flut und Ebbe wieder.“
Sosehides wandte sich dem Monitor für die Sonnenbeobachtung zu, auf welchem ein Ausschnitt der Sonnenoberfläche zu sehen war, zusammen mit der Corona, in welcher verschiedene verschwommene und scharfe leuchtende Gebilde zu erkennen waren. Er zeigte auf einige dunkle Flecken, über die sich riesige Lichtbögen auftaten, mehrere 10tausend km hoch, und zusammen ganze Hallen bildeten.
„Erinnerst
du dich an den Spaziergang im Rheindelta? Der Nebel hatte das Licht der Sonne
soweit gedämpft, dass man problemlos in sie hineinsehen konnte, sie war mit
scharfer Umrisslinie zu sehen. Ich hatte dir die Sonnenflecken gezeigt, man
konnte sie mit bloßem Auge erkennen. Das sind mit 5000°C relativ kalte Regionen.
Alle 11 Jahre hat die Sonne eine Phase mit vielen großen Flecken, aber auch in
den Zwischenzeiten gibt es immer wieder kleinere. Hier treten Bündel von
Magnetfeldlinien hinaus, sie entspringen den Strömungswirbeln im Sonneninneren.
Und wenn eine andere Strömung solch ein Bündel durchkreuzt, dann kommt es eben
zu solchen Aufladungen, wie ich es dir beschrieben habe. Man kann dies leider
nur schwer beobachten, da diese Vorgänge meist nicht direkt an der Oberfläche
stattfinden. Dort aber, wo solche aufgeladenen Massen bis zur Sonnenoberfläche
gelangen, kann es infolge des inneren Druckes zu gewaltigen Explosionen kommen,
den Protuberanzen, und – ä – die könnten für das Raumschiff wirklich gefährlich
werden, wie du gesagt hast.“
Es gibt aber auch noch eine andere Gefahr: die extrem hohen Temperaturen von ca. 2 Millionen grad° in der Corona. Das Phänomen der hohen Temperaturen in der Sonnen-Korona in einigen 10000 km Entfernung über der Sonnenoberfläche war für die Wissenschaftler noch immer ein Rätsel und schien den Gesetzmäßigkeiten der Physik zu wiedersprechen. Denn auf der Sonnenoberfläche selbst herrscht ja eine Temperatur von ´nur´ ca. 6000 grad°. Das wäre in etwa so, wie wenn man auf einem heißen Kachelofen mit Müh und Not einen Topf Wasser zum kochen brächte, in ein Meter Entfernung von Ofen aber Eisen zur Weißglut bringen könnte. Es gab verschiedene Erklärungsansätze, wie z.B. die Theorie von den Schallwellen: von der Sonnenoberfläche wird Energie in Form von Schallwellen in diese Bereiche transportiert und konzentriert sich dort.
Sosehides war der Auffassung, dass diese hohen Temperaturen durch die starken solaren Magnetfelder, die sich bogenförmig weit hinaus in die Corona erstrecken und dort in großer Höhe das Protonenplasma aufheizen, verursacht werden. Er glaubte, dass man sich das zugrundeliegende physikalische Prinzip in einer Art magnetischen Wärmepumpe für die Energiegewinnung nutzbar machen könne.
„Du wiederholst dich – du weist, ich halte nicht viel
von deinen Ansichten, du bist einfach nur stur, verbissen hältst du an deinen
verschrobenen Ansichten fest, kein Mensch glaubt dir.
Für die hohen Temperaturen haben wir auch andere
Erklärungen:...
kurze
Kürzung 2
...wie soll
denn dieser Magnetismus zustande komme? Aber sei´s drum, eines ist klar, es
gibt dort extrem starke Magnetfelder. Und die sind absolut tödlich, wenn man
ihnen zu nahe kommt. Und heiß ist es dort auch.
Früher hatte ich dir gerne zugehört, und ich erinnere
mich gut an unsere Spaziergänge. Dir gelang es immer wieder, meine Phantasie in
die mikroskopisch kleinen Gefilde zu entführen. Ich durchwanderte im Geiste die
Regionen zwischen den Atomen von Kristallen, Gasen und Flüssigkeiten, als wären
es idyllische Berglandschaften mit Wolken, Flüssen und Seen; und ebenso in die
Weiten des Alls, mit Sternentstehungsregionen, und mit den merkwürdigen Bahnen
von Planeten und Monden, mit der Mechanik der Himmelskörper als eine großartige
Choreographie eines allumfassenden Tanzes, perfekt, und doch immer mit Fehlern
und Abweichungen dem Chaos nahe...
Aber ich bin Realist. Ich weiß, dass das Wenige, was
von solchen Phantasien der Wahrheit entspricht, schon längst mathematisch erfasst
ist und in den technischen Errungenschaften der heutigen Zeit seine
Verwirklichung gefunden hat, in der Raketentechnik z.B., oder bei unseren
Reaktoren. Aber bleib du ruhig bei deinen Spinnereien und deinen
Magnetfeldlinien und forsche die nächsten 100 Jahre weiter.
Doch, mir fällt gerade etwas ein, es gibt tatsächlich
jetzt einige Interessenten, eine Physikin, Bereich Tieftemperaturphysik, und
einige Kältetechniker, die sich nach deiner Arbeit erkundigt haben. Ich glaube,
es geht um subatomare Teilchenforschung, um die Temperatur von Elektronen, oder
so was, mit unserem Institut haben sie nichts zu tun.“
Situationen, in denen sich sein Unbehagen ihr gegenüber in Abneigung, sogar Hass verfärbte, gab es immer wieder, in seiner Verzweiflung, dem Gefühl von Minderwertigkeit und fehlender Anerkennung, von Missachtung. Immer noch, so weit entfernt, so weit weg von ihr, so unabhängig, scheinbar, losgelöst von der Erde, sein Innerstes verschlossen, immer noch war es ihm nicht gleichgültig, was sie über ihn dachte, welches Bild sie von ihm hatte.
„Tieftemperaturphysikin? Was soll ich damit anfangen?
Hier geht es um extrem hohe Temperaturen.“
Umgebung und innere Mechanik
der Sonne
Sosehides betrachtete weiterhin das Bild der Sonne auf dem Bildschirm. Sie, auf dem anderen Bildschirm, war mit ihrer Handarbeit beschäftigt und hörte ihm nebenbei zu, bzw. dem, was er vor gut 7 Minuten gesagt hatte. Seine Zeichnung von ihr lag auf seinem Schreibtisch, neben anderen von Konvektionsströmungen, Wirbeln, Magnetfeldern... Er bemühte sich abermals, ihr seine Vorstellungen von den Vorgängen auf der Sonne näher zu bringen.
„Die
Strömungen im Sonneninneren lassen immer wieder Wirbel entstehen, manche
mit mehreren 1000 km Durchmesser. Sie sind die Ursache für die extrem starken
Magnetfelder! Die magnetischen Kraftlinien
sind entlang der Wirbelachse
dicht gebündelt. Sie fächern
sich an den Enden der Wirbel auf, durchdringen andere Regionen der Sonne,
drängen sich mit anderen Magnetfeldbündeln und werden dabei verbogen. Die
einzelnen Magnetfeldlinien bilden immer geschlossene Kreisbahnen bzw.
–Schlaufen, sie haben keinen Anfang und kein Ende, keine Quelle und keine
Senke. Manche Strömungswirbel befinden sich nahe der Sonnenoberfläche. Die
zugehörigen Magnetfeldbündel treten aus der Sonnenoberfläche heraus, senkrecht
oder schräg, sie formen Säulen,
dann große Bögen und Gewölbe, Hallen, Kathedralen. Die Magnetfeldlinien
sind eigentlich unsichtbar. Dort jedoch, wo der Sonnenwind, das ständig von der
Sonnenoberfläche austretende Plasma, in schlierenförmigen Strahlen auf die
Magnetfelder stößt, leuchten sie hell auf, da hier das Plasma extrem aufgeheizt
wird. In den Säulen sind die magnetischen
Kräfte am stärksten. Dort, wo die Säulen sich zu Gewölben auffächern,
in einigen 1000 oder 10000 km Höhe, sind die Kräfte immer noch sehr stark.“
Ein
Einwand von ihr auf das, was er vor einer Viertelstunde gesagt hatte, erreichte
ihn:
„Du musst nicht glauben, dass wir in den Jahrzehnten, in denen du eigenbrödlerisch deinen Theorien nachgehangen hast, in der Sonnenforschung geschlafen haben. Dass manche Wirbel durch die Konvektionsströme entstehen, wird wohl stimmen. Aber gerade die Wirbel, die im Zusammenhang mit den Sonnenflecken stehen, haben einen anderen Ursprung: sie rühren von der Tatsache her, dass die Sonne in der Äquatorregion schneller rotiert als in den anderen Regionen. Der Äquator überholt ständig die höheren Breitengrade und auch das Innere der Sonne.
Ein
breites dickes äquatoriales Band wird in dem bekannten 11-jährigen
Sonnenfleckenzyklus in seiner Rotation im Vergleich zum Sonneninneren erst
beschleunigt, dann wieder abgebremst.
Der
Beschleunigungsvorgang des Äquatorbandes hat mit dem inneren Kern zu tun,
kurze
Kürzung 3
Die
gesamte Rotation der Sonne bekommt dadurch eine Unwucht und gerät ins Eiern.
Das ist vergleichbar mit einem Hula-Hup-Reifen, die Hüfte schwingt hin und her,
der Reifen dreht sich um die Hüfte.
Wenn die
Geschwindigkeitsdifferenz zwischen äquatorialem Band und dem Sonneninneren zu
groß wird, entstehen walzenförmigen Wirbel, die den Prozess wieder abbremsen.
Oft haben diese Walzenwirbel zwischen Äquatorband und Sonneninneren paarweise
Berührungspunkte mit der Sonnenoberfläche, und das sind die berühmten Sonnenflecken.
Den
Beschleunigungs- und Bremsvorgang haben wir allerdings bisher noch nicht direkt
messen können. Und von dir ist diesbezüglich leider auch noch nichts gekommen.“
Sosehides musste sich eingestehen, dass an dieser Theorie etwas dran sein konnte, und dass er es bisher versäumt hatte, die entsprechenden Messungen vorzunehmen. Allerdings sah er das auch nicht als seine Aufgabe an. Und außerdem war ihm da auch nicht alles klar. Die Sonnenflecken erscheinen ja dunkler, weil sie ca. 1000° kälter sind als die übrige Sonnenoberfläche, doch warum eigentlich?
Sosehides
fuhr fort, seine Vorstellung von den solaren Magnetfeldern zu erläutern: „Doch
im Inneren dieser Hallen, diesen unvorstellbar großen Räumen, in manche würde
die Erde viele Male hineinpassen, im Inneren dieser Hallen ist praktisch
kein Magnetismus vorhanden ... und
dort ist es für ein bemanntes Raumschiff ungefährlich“ fügte er etwas zögerlich hinzu.
Und in
diese Hallen wollte er abtauchen und für einen kurzen Trip die Forschungsreise
erweitern, so hatte er, nachdem die Solaris die Anreise von der Erde hinter
sich und eine sichere Umlaufbahn um die Sonne erreicht hatte, lauthals und
wütend verkündet, zum Gelächter seiner ehemaligen Kollegen, und zum Schrecken
seiner Chefin und aller Projektverantwortlichen. Er erhielt den Befehl, sofort
zur Erde zurückzukommen, was er dann nicht tat, und was er dann aus Angst vor
den Konsequenzen auch nicht mehr konnte. Und je länger er sich dem Befehl widersetzte,
umso mehr war er davon überzeugt, dass er wohl nie mehr wieder auf die Erde zurückkehren
konnte.
Raumschiff
in den Magnetfeld-Hallen
Manchmal
hatte er es sich gewünscht, dass das Raumschiff von der Erde aus ferngesteuert
zur Umkehr gezwungen würde. Ja, man hatte es sogar versucht. Die Navigationsrobotin,
Sosehides nannte sie Naim, die Einzige, die unter direktem Erdkommando stand,
hatte auf Geheiß eine allmähliche Kursänderung der schwerfälligen Solaris in
Richtung Erde eingeleitet und die Solaris trat den Heimweg an. Doch Sosehides
hatte einen Moment abgewartet, um die Wartungsrobotin, die schöne Lazu, insgeheim
anzuweisen, Naim bei einer routinemäßigen Überprüfung aller Robotinnen
stillzulegen. Lazu übernahm dann die Navigationsaufgaben, wozu sie genauso befähigt
war.
Eigentlich
waren die Robotinnen in der Lage, elektronisch zu kommunizieren. Zu Beginn der
Expedition war das auch der Normalfall. Alle Robotinnen auf dem Raumschiff
bildeten dadurch eine gedankliche Einheit, jede Robotin wusste über alle
anderen Bescheid. Sie konnten sich jedoch auch untereinander wie mit Sosehides
über die menschliche Sprache verständigen. Und als Sosehides allzu sehr von der
Einsamkeit geplagt wurde, befahl er den Robotinnen, parallel zu elektronischen
Kommunikation sich der menschlichen Sprache zu bedienen. Mit der Zeit fanden
sie Gefallen daran, vielleicht gerade wegen der Unzulänglichkeiten der
menschlichen Sprache, sodass sie die elektronische Kommunikation abstellten. In
der Regel reichte das auch aus. Sosehides vermutete, dass sie dadurch die
Möglichkeit verspürten, so etwas wie eine eigene Persönlichkeit auszubilden.
Im
Ernstfall jedoch, wenn Gefahr drohte, dies kam gelegentlich vor, konnten sie innerhalb
eines Bruchteiles einer Sekunde auf die elektronische Kommunikation umschalten.
Von daher war Sosehides sich gar nicht sicher gewesen, ob sein Ansinnen, Naim
stilllegen zu lassen, gelingen werde. Was wäre gewesen, wenn Naim Verdacht geschöpft
hätte und mittels elektronischer Kommunikation die Absicht Lasu´s durchschaut
hätte? Wäre das der Keim für ein Misstrauen unter den Robotinnen gewesen, oder
gab es dieses Misstrauen schon längst?
Sosehides
nutzte auch die Gelegenheit, um alle Überwachungskameras so schalten zu lassen,
dass nur er den Überblick über die gesamte Station von seinem Zimmer aus hatte.
Naim stand
seither reglos, aber würdevoll, immer an gleicher Stelle. Mit der Zeit, in
großen Abständen und fast unmerklich, geschahen mit ihr kleine Veränderungen:
ein Arm war ausgekugelt, ihre Körperhaut, von der Beschaffenheit blassfarbiger
Pfirsiche, war zerkratzt, die Schichten darunter und die Polsterung, auch
blankes Metall kamen zum Vorschein, dann fehlte ein Stück aus ihrer Taille, man
konnte in sie hineinsehen, Elektronik, Kabel, das Gestänge. Irgendwann war ihre
Nase kaputt, zertrümmert. Seltsamerweise verlor die Statue dadurch nicht an
Würde, sie wurde sogar schöner, so empfand Sosehides. Anfangs verdächtigte er
die anderen Robotinnen, dies getan zu haben. Er fragte sie, ob sie sich diese
Veränderungen erklären könnten, doch erhielt er nur fragende Blicke als Antwort.
Er selber hatte ja immer wieder Wutausbrüche und Gewaltphantasien, vor allem,
wenn er an seine ehemaligen Kollegen dachte. Manchmal fragte er sich, ob er
selbst es war, der Naim die Nase zertrümmert hatte, Erinnerungen und Phantasien
vermengten sich.
Sosehides
hatte nach dem Versuch, ihn und die Solaris zur Erde zurückzulenken, etwas
halbherzig begonnen, Vorbereitungen für den Vorstoß in die nächste Nähe der
Sonne zu treffen. Doch je länger er die Sonne beobachtete, desto größer wurden
seine Zweifel, er teilte jedoch niemanden etwas davon mit. Die erwartungsvollen
Blicke der Robotinnen und die Erkundigungen der Erdbewohner nach seinem Vorhaben
wurden immer seltener. Auf Nachfragen wich er aus. War es Feigheit oder
Vernunft, die Erkenntnis, dass das Vorhaben seinen Tod bedeutete?
Wenn er doch
in diese Hallen vorstoßen und dabei sterben würde, dann könnten wenigstens
die Robotinnen ihre Belastbarkeit ausreizen und zumindest eine Weile die Expedition
fortsetzen. Sie wären befähigt, in eigener Verantwortung das Schiff zu steuern,
die Forschungen weiter zu betreiben und die Ergebnisse zur Erde zu senden,
eigentlich wäre Sosehides überflüssig. Nur seine Zeichnungen würden auf diese
Weise nicht mehr die Erde erreichen, doch das würde wohl keinem weiter auffallen.
Hände Tanzender
Er
zögerte, scheinbar, in Wirklichkeit hatte er das tödliche Vorhaben längst
aufgegeben. Eine Lähmung hatte ihn dann befallen, eine ewig andauernde
Müdigkeit, in dieser zeitlosen Umgebung ohne Tag und Nacht, unter den Robotinnen,
die entweder ständig aktiv waren oder bis auf unbestimmte Zeit in einem Wartezustand
verharrten.
Damals begann er auch, den Stift, den er sonst zum Anfertigen von Skizzen der solaren Architekturen und zum Verfassen von Berichten oder überhaupt zum Schreiben benutzt hatte, anders zu verwenden. Er hörte sanfte Musik und zeichnete. Er zeichnete Menschen, seine Kontaktpersonen auf der Erde, die Robotinnen, Menschen aus der Erinnerung, Körperstudien, und immer wieder seine ehemalige Frau, aus Erinnerung und anhand von Skizzen, oder direkt vom Bildschirm ab. Selten war er mit dem Ergebnis zufrieden, mal wurde sie zum Kind, mal zur Greisin, manchmal wurde sogar ein Mann daraus. Er zeichnete auch Menschengruppen, Robotinnen in Alltagssituationen, oder Tanzpaare aus der Erinnerung, auch tanzende Maschinenmenschen.
Er dachte sich auch Körperstellungen aus, Menschen bei der Arbeit, oder bei irgend welchen Beschäftigungen, beim Spiel, bei Zärtlichkeiten, beim Tanz, er konstruierte bestimmte Tanzfiguren in seiner Vorstellung. Er zeichnete ganze Bildfolgen von Tanzbewegungen und brachte sich so Tanzschritte und komplizierte Figuren, wie er sie vor langer Zeit mit seiner Frau gelernt hatte, wieder in Erinnerung.
Salsa tanzende
Bergmolche
Manchmal zeigte er diese Bildfolgen Lazu oder den anderen Robotinnen. Lachend, und ohne jegliches Üben, führten sie mit ihm die Figuren aus, tanzten bis zu seiner Erschöpfung.
Kantige
Maschinenmenschen waren für diese Studien besonders gut geeignet. Unterschiedliche
Stellungen eines Armes z.B., aus
wechselnden Blickrichtungen, ließen sich bei ihnen leichter durchdenken als bei
den weichen Formen eines Menschenarmes. Manchmal zeichnete er die Tanzfiguren
auch als Tiere.
Sosehides
arbeitete in dem Raum mit dem großen Fenster aus Spezialglas, je nach Ausrichtung
der Station konnte er dort die Sonne sehen, graugrün, kontrastarm, die
filigranen Strukturen als feine Zeichnung zu erkennen, manchmal schienen sie zu
vibrieren; daneben der Bildschirm für die Kommunikation mit den Robotinnen oder
mit der Erde, jetzt war seine Chefin darauf
zu sehen, auf seine Antwort wartend; sein Tisch übersät mit Skizzen, auf dem Boden
aufgeschlagene Bücher, dann der Bildschirm, der an das Teleskop angeschlossen
war, ausgerichtet auf Detailansichten
der Sonne, Magnetfeldbögen, Säulen, Hallen...,
Das Gespräch mit seiner ehemaligen Frau und Chefin, zuvor hitzig, war nun schleppend geworden, durch die langen Übertragungswege bedingt, auch weil sie den Stoff schon so oft durchgekaut hatten. Ihre Aufmerksamkeit war mehr auf ihre Handarbeit als auf ihre Gedankengänge gerichtet.
Er war mit seinen Skizzen beschäftigt. Er zeichnete ein Tanzpaar bei einer Damendrehung, ohne konkrete Vorlage, er konstruierte das Paar. Den Tänzer zeichnete er als Roboter, ein plumpes Uraltmodell, der Tänzin gab er die Statur seiner Chefin.
Sonst saß
er aber auch oft nur da und betrachtete die Sonne, stundenlang, oft tagelang,
kaum, dass er seine Beobachtungen unterbrach, die Robotinnen in seinem Rücken,
hektisch, darauf bedacht, ihn nicht zu stören. Er hatte schon tausende Male die
Gebilde aus Licht studiert, er musste sich nicht dorthin begeben, er träumte
sich hinein in die Magnetfeld-Kathedralen.
Er war umgeben
von Lichtbögen, zehntausende Kilometer entfernt, und scheinbar doch nahe,
deutlich zu erkennen. Er hörte auf zu denken, die Aufmerksamkeit war ganz
von den geträumten Gebilden aus Licht aufgesogen. Er schwebte wie ein großer Vogel unter den Gewölbedecken
hindurch, von Halle zu Halle, an Säulenreihen vorbei, er schien sich aufzulösen.
Wenn die Vorstellungen bedrohlich wurden, wenn Räume sich auflösten, neue
Bögen sich auftaten, wenn Protuberanzen hervorbrachen: dann floh er und schwebte
davon, er erwachte aus seinen Träumereien.
tanzende Maschinenmenschen
Irgendwelche Geräusche waren auf der Solaris immer zu hören, surrende, fauchende elektrische Geräte, manchmal wusste Sosehides nicht, ob er eine elektromagnetische Schwingung am Körper spürte oder ob er sie wirklich hörte, Schwingungen ausgelöst vom Sonnenwind und der harten Strahlung, oder von den Generatoren für den magnetischen Schutzschild des Raumschiffes. Geräusche, vor denen Sosehides nicht entfliehen konnte, auch nicht, indem er Musik hörte. Manchmal quälten ihn die Geräusche, manchmal bildeten sie aber auch einen angenehmen Klanghintergrund. Die Robotinnen kannten die Geräusche und die Probleme, die Sosehides mit ihnen hatte. Frühzeitig hatten sie damit begonnen, Gegenmaßnahmen zu entwickeln, die Geräusche mit verstärkten Klängen von Elektrogeräten zu übertönen oder zu kombinieren, um Wohlklänge zu erzeugen, sie spielten damit. Manchmal waren mehrere Robotinnen gleichzeitig damit beschäftigt, und eine harmonische Geräuschkulisse erklang durch die Lautsprecheranlage des Raumschiffes. Dazu kamen ihre Gespräche, Sosehides liebte den Klang ihrer Stimmen. Es gelang jedoch nicht immer, die Geräusche in Wohlklänge zu verwandeln, dann wurden die Klänge zur Qual.
„Du
durchbohrst mich mit deinen Blicken, sei mir nicht böse,“ sagte sie, ohne auf
seine Erläuterungen weiter einzugehen, sie kannte sie ja schon lange,
angeblich, „du kennst doch meine Ansichten zu deinen Theorien, schon seit ewigen
Zeiten - was starrst du mich so an?“
Er zuckte mit den Schultern. Er sah abwechselnd auf den Schwarz-Weiß-Bildschirm, dann wieder auf sein Blatt: Details, Bruchstücke, ein Auge mit Stirn, die Schulter und der rechte Arm - wie so oft war sie auf dem Bildschirm nur schemenhaft zu erkennen, mit Bild- und Tonunterbrechungen. Er versuchte, sich ihr Gesicht, ihren Körper einzuprägen, die Proportionen, Linien, Falten, es gelang ihm nur unvollständig, er zeichnete, erinnerte sich an vergangene Zeiten, und verlor jegliches Zeitgefühl.
Erinnerungen
„Hörst du
mir zu? Was machst du eigentlich die ganze Zeit da oben, du mit deinen Robotinnen?
Du solltest wirklich zurückkommen! Deine Befehlsverweigerung ist fast verziehen,
und wird keine großen Konsequenzen mit sich bringen – wenn du brav bist“ fügte
sie etwas spöttisch hinzu, „und dich nicht in Institutsangelegenheiten einmischst.“
„Ich mich
nicht einmischen? Was soll ich denn da, auf der Erde?“ Hatte sie ihm
jemals zugehört, wenn er ihr beispielsweise die Sonnenphysik erklärte? Oder
wollte sie es nicht wahr haben? Der Verdacht hatte in ihm ein permanentes
Misstrauen ihr gegenüber nicht sterben lassen. Sie in ihrer gesellschaftlichen
Stellung, umgeben von Technikern und Wissenschaftlinnen, die in der Forschung
beim Fusionsreaktor arbeiteten, bei welchem ja die Vorgänge im Sonneninneren
nachgebildet werden sollten. Seine Erkenntnisse hätten diese Forschung
überflüssig gemacht, so glaubte er zumindest. Er hatte herausgefunden, dass,
und warum in den Magnetfeldbögen das Plasma des Sonnenwindes auf mehrere Millionen
C° aufgeheizt wurde. Auch was dabei physikalisch ablief, und dass man
Magnetismus zur Energiegewinnung nutzen kann, viel einfacher als mit Kernfusion.
Paradoxerweise
wurden in Fusionsreaktoren starke Magnetfelder schon eingesetzt: mit ihnen
wurde Plasma wie in einem Käfig eingesperrt, damit es mit Laserlicht bestrahlt
und auf die hohen Temperaturen gebracht werden konnte, die für eine
Kernverschmelzung nötig waren. So wurde es zumindest beschrieben. Für Sosehides
war es jedoch klar, dass schon mit den Magnetfeldern das Plasma auf sehr hohe
Temperaturen gebracht wurde, und dass das Laserlicht für eine zusätzliche
Temperaturerhöhung sorgte.
Bei dem
Gedanken daran wurde Sosehides von ohnmächtiger Wut und Hass auf die Wissenschaftswelt
und auf seine Chefin erfasst. Eigentlich musste sie doch froh sein, dass er
weit weg war. „ Wozu willst du mich denn zurück haben, was soll ich denn auf
der Erde? Willst du mich als Gartenzwerg in dein Blumenbeet stellen?“
Er ärgerte sich, und doch bewundere er ihre Schönheit. Das Gespräch brach ab..., seine Müdigkeit..., Bildbruchstücke, hintereinandergestaffelt, tauchten auf und verschwanden, ihr Körper, Teile lösten sich auf und verschmolzen mit den Detailskizzen auf seinem Zeichenblatt, ihre Haut bekam einen Perlmutterglanz, in sanft schillernde Regenbogenfarben, und schien durch den silbrig-grauen Anzug durchzuglänzen. Er hatte sie nie in Farbe gemalt. Es gab keine Farben auf Solaris, außer ein paar graue Lacke zur Metall- oder Plastikbeschichtung, und eine Menge Bleistifte..
Als Sosehides wieder aufwachte, war er orientierungslos, ihm dröhnte sein Schädel, ihm war übel. Er wusste nicht mehr, wo oben und unten war. Er wollte einen Blick aus dem Fenster auf die Sonne werfen, nahm aber nur ein verschwommenes graugrünes Bild der Sonne durch die schmerzenden Augen wahr. Wie in Trance merkte er noch, dass drei Robotinnen um ihn herum beschäftigt waren. Sein Rücken war starr und fühlte sich verkrampft an, der Nacken wie aus altem brüchigen Beton. Die Luft um seinen Schädel glühte, die Gedanken, es waren eigentlich nur Assoziationen, verschmolzen zu einem zähen Brei und quälten sich durchs Hirn. Traumbilder stiegen in ihm auf, tanzende Figuren, Tanzpaare, wie er sie gezeichnet hatte, schwirrten durch den engen Raum, doch ohne jede Ordnung, hierhin, dorthin, von oben nach unten und umgekehrt, die meisten irgendwie schräg, oder diagonal, manche liegend, andere kopfüber, sie drängten sich, sie stießen zusammen und änderten ihre Richtung. Ein einzelnes elegantes Paar, leichtfüßig, schnell, schön anzusehen, sie deutete mit ihrem Körper und kaum wahrzunehmenden Signalen die nächste Tanzfigur an, mit sanftem Druck führte er sie in die Figur hinein, zärtliche Blicke, respektvolle Berührungen – eine flüchtige Erscheinung, sie verschwanden im Hintergrund. Ein anderes Paar drängte sich vor, ein plumper Roboter, uraltes Modell, zwang mit starrem Griff eine zierliche junge Frau in eine endlos gleichförmige Rotation, sie hing wehrlos in seinen Pranken...
Sosehides bewegte sich kaum, jede Regung ließ den Druck in seinem Kopf ansteigen. Auf dem Monitor erkannte er einen Ausschnitt der Sonne in grellen feuerroten Farbtönen, zitternde Figuren aus Licht, die lautlosen Vibrationen setzten sich in seinem Schädel in schrille Klänge mit harten unregelmäßigen Rhythmen um. Der Anblick fesselte ihn, bemächtigte sich seiner Hirntätigkeit, er träumte sich in das Sonneninnere hinein, betrachtete die Strömungen, die Wirbel, er betrachtete immer kleiner werdende Details, bis in die atomaren Dimensionen, er sah die einzelnen Atome in diesem zähen Brei, zitternde Atome, rotierend, sie bewegten sich hierhin, dorthin, stießen zusammen, tanzten. Das Bild der zappelnden Atome verschmolz mit den Traumbildern von den im Raum orientierungslos herumwirbelnden Tanzpaaren.
Allmählich ließen die Schmerzen nach, das Bild von den Tanzpaaren wurde ruhiger, geordneter. Sein Blick war starr auf den Monitor gerichtet, seine Phantasien waren immer noch verschmolzen mit den Vorgängen im Sonneninneren: ein Wirbel von gigantischen Dimensionen bildete sich, erst langsam, immer mehr Regionen wurden von dem Wirbel erfasst, immer schneller drehte sich der Wirbel, in seinem Zentrum, entlang der Achse am schnellsten, nach außen hin langsamer, in zylindrische Schichten aufgeteilt, die aneinander vorbeiglitten.
zylindrische Schichten mit rotierenden Atomen
Der zylindrische Schichtenaufbau der Wirbel strukturierte den atomaren Aufbau. Den einzelnen Atomen wurde eine Ordnung aufgezwungen. Durch das Vorbeigleiten der Schichten gerieten sie ins Rollen, alle mit der gleichen Drehrichtung, die Rotationsachsen parallel zur Wirbelachse. Das Bild von den rotierenden Atomen verschmolz wieder mit dem Bild von den Tanzpaaren, jetzt nicht mehr chaotisch und orientierungslos. Sosehides sah einen großen Saal, mit großzügigen Treppen, Treppenabsätzen, Galerien, mehreren Etagen, Ausblicken in andere Räume, reich und schön, überall tanzende Paare, sie tanzten zu Walzerklängen, alle drehten sich in die gleiche Richtung. Die Paare in den Galerien und den anderen äußeren Bereichen tanzten und drehten sich auf der Stelle, die Paare auf der großen Fläche in der Mitte bewegten sich zusätzlich kreisförmig um das Zentrum, wie in einem Wirbel, und dies um so schneller, je näher sie diesem Zentrum waren.
„So ist es“ rief Sosehides aus, die Robotinnen schauten ihn erstaunt an, „in den Strömungswirbeln im Inneren der Sonne werden den Atomen die gleiche Rotationsrichtung aufgezwungen, und mit ihnen bekommen auch die Magnetfelder der Atome die gleiche Ausrichtung, sie addieren sich zusammen und bilden gemeinsam ein großes Magnetfeld. Gigantisch große Magnetfelder entstehen auf diese Weise.“
Sosehides
hatte schon Tausende Male darüber nachgedacht, und blieb immer wieder an den
gleichen Stellen hängen. Wie sollte er die Idee von dieser gleichgerichteten
Drehbewegung der Atome, diesen Walzer in immer der gleichen Richtung
nachweisen? Wie schnell drehten sich die Tanzpaare, und ließe sich daraus das
Magnetfeld berechnen? Wie konnte er die Punkte, bei denen er sich unsicher war,
lösen, mit wem konnte er darüber reden? Er sah für sich keine Möglichkeit, auf
der Solaris irgendwelche physikalischen Experimente zu machen. Für Simulationsprogramme
hätte er ganze Programmiererteams gebraucht, und außerdem hatte er auch keine
Lust dazu, lieber zeichnete er.
Sosehides hatte für seine Magnetfeld-Theorie nirgends Gehör gefunden, und mit seinen ehemaligen Kollegen war er immer wieder in Streit geraten. Sie hielten ihm die Lehrmeinung entgegen: „Die Dynamotheorie kann die Magnetfelder der Sonne schon ganz gut erklären.“ „Es gibt nicht die Dynamotheorie,“ S. durchlebte in der Phantasie diese Gespräche in abgewandelter Form immer wieder, „es gibt duzende Dynamotheorien, und jährlich kommt eine neue hinzu“ fügte er polemisch hinzu. Die Kollegen: „Eines haben sie aber alle gemeinsam:
kurze Kürzung
Sosehides: „Magnetfeldlinien sind doch keine verknoteten Gummibänder, solche Berührungspunkte von Magnetfeldlinien kann man weder mathematisch noch logisch aus den elektrischen Strömen ableiten, das ist Unsinn. Keine solche Knoten sind noch nie nirgends experimentell nachgewiesen, kein Stromgenerator, kein Transformator, keine Spule etc., bei denen Magnetfeldlinien aufs engste gebündelt sind, könnte existieren. Dahinter steckt der alte Wunsch, Magnetismus losgelöst von allem zu betrachten. Das geht aber nicht. Magnetfelder stehen immer und untrennbar mit elektrischen Strömen, das heißt mit bewegten elektrischen Ladungen, in Verbindung.“
Er konnte, oder
wollte sich nicht weiter damit beschäftigen, er wandte sich seiner Zeichnung
zu, die er vor dem Gespräch begonnen hatte. 4 Füße, dicht aneinandergedrängt,
seine eigenen Füße hatten ihm notdürftig als Vorlage gedient, teilweise sehr
detailliert, Risse in der Haut, scharfkantige Falten, die weiblichen Füße aus
der Phantasie, schemenhaft, unbeholfen, doch sehr lebendig. Er sah die Bewegung
in der Zeichnung, wie die Füße sich streichelten. Doch dann war das Bild wieder
nur eine Ansammlung starrer Linien, die Erinnerung an die Zärtlichkeit
schmerzte...
Er warf einen Blick aus dem Fenster,
auf dem dicken Spezialglas, welches das aggressive Sonnenlicht filterte, lag
ein metallisch-perlmuttartiger Glanz, die Sonne in graugrünem Licht, er sah wieder den Fleck auf der Sonne, den
er vorher schon entdeckt hatte, und der wie eine Aufwölbung ausgesehen hatte:
sie schien sich verstärkt zu haben. Der Fleck lag in einem ansonsten ruhigen Gebiet.
Die nächsten Magnetfeldbögen und Säulen waren schätzungsweise 1000 km und mehr
von dem Fleck entfernt und standen mit ihm in keinem erkennbaren Zusammenhang.
Sosehides und die Dokrobotin
Sosehides
spürte, wie Nacken, Schultern und Rücken massiert wurden, er fühlte etwas kühles
auf seiner Stirn, eine Hand strich ihm über die Schläfen. Aiis, die Dokrobotin
stand vor ihm und legte eine Spritze auf ein Tablett, stellte das Tablett auf
dem Schreibtisch ab, rückte ein paar Sachen auf dem Schreibtisch zurecht,
ergriff eine Zeichnung und betrachtete sie, sie lächelte. Die anderen Robotinnen verließen den Raum, die eine scherzend, die
andere leise singend.
Aiis wies
ihn an, sich zu entkleiden, die Jacke, die türkisfarbene Hose mit den feinen zinnoberroten
fraktalen Mustern, die an kristalline Strukturen und an Atomorbitale erinnerten,
die Farbe war schon etwas verblichen. Sie untersuchte ihn, sie tastete ihn an
verschiedenen Körperstellen ab, intensiv und lange, mit großer Geduld fühlte
sie sich in seinen Körper hinein. Er musste einige Bewegungsübungen machen,
eigentlich hätte er sich darauf konzentrieren sollen, er betrachtete aber
weiterhin die Sonne und hing seinen Gedanken nach. Schließlich legte sie ihn
auf den Boden, wälzte seine Beine, seine Arme, den Kopf, den ganzen Körper.
Sosehides liebte die körperlichen Berührungen der Robotinnen. Obwohl sie alle ähnlich konstruiert und aus den gleichen Materialien gebaut waren, fühlten sie sich unterschiedlich an. Sie waren warm, oder kühl, bei manchen fühlte sich die Haut samtig an, bei anderen glatt, manchmal auch etwas rau aufgrund von leichten Beschädigungen. Die gepolsterte Schicht unter der Haut war bei manchen prall, bei anderen weicher, dann konnte er die Konstruktion darunter fühlen, Metallteile, Kabel. Er glaubte sogar, das Pulsieren in den Hydraulikschläuchen ertasten zu können, und dass das Kribbeln, das er manchmal bei den Berührungen verspürte, von den elektrischen Signalen in den Stromkabeln unter der Polsterschicht herrührte.
Er
kleidete sich wieder an und setzte sich an seinen Arbeitstisch, nahm die Zeichnung
mit den 4 Füßen und überlegte, wohin er sie verräumen konnte, und betrachtete
weiterhin die Details der Sonnenoberfläche auf dem Monitor.
„Sie
können jetzt noch etwas arbeiten. Dann sollten sie aber ausgiebig schlafen,
mindestens 10 Stunden, aber das werden wir dann ja sehen. Vorher sollten wir
jedoch zusammen zur Entspannung...“, „dort, sehen sie“ unterbrach er sie, und
zeigte auf die aufgebrochene Wölbung auf der Sonnenoberfläche, aus der etwas
herausdrängte, eine beginnende Eruption, in Zeitlupe, scheinbar unendlich langsam,
in Wirklichkeit jedoch sehr schnell, die Dimensionen gigantisch. Die Richtung
dieses Ausbruches ... konnte die Eruption dem Raumschiff gefährlich werden?
Die
Zeichnung entglitt seinen Händen, die Robotin hob sie auf und betrachtete sie
eine Weile, sie schien den unterbrochenen Gedanken nicht weiter zu verfolgen.
Auch sie schaute zum Fenster hinaus in die Ferne. „Wenn sie doch nur Farbstifte
hätten, es ist so wenig Farbe hier, alles grau. Es fehlt Farbe in der
Zeichnung, z.B. sandfarbene Flächen und Muster, stellenweise orange...“, sie
schob den Ärmel seiner Jacke, die einmal zitronengelb gewesen war, hoch und gab
ihm eine Spritze in den Arm, eine Tablette in die Hand, „die wie immer zum Tee,
... , und dann noch dazu tiefschwarze Linien,“ sie schaute wieder zum Fenster
hinaus, an der Sonne vorbei, „wie
Schatten zu den Mustern, schmale und breite; und als Hintergrund noch eine kräftige Farbe, Smaragd- oder Nachtgrün“, sie entfernte sich wieder,
im Weggehen sagte sie noch: „Irgendwann müssen wir mal wieder das Verjüngungsprogramm
starten...oder vielleicht doch besser ein milchiges Blau...“.
Er
bedankte sich bei ihr und schaute ihr nach. Was im Inneren dieser
Maschinenmenschen wohl vor sich ging? Insgeheim hätte er sich etwas mehr Sinn
für Verständnis gewünscht, auch wenn es ihm unerträglich gewesen wäre, wenn
dieses Wesen das irgendwie zum Ausdruck gebracht hätte.
Eine dumpfe Müdigkeit befiel ihn. Er
hatte doch schon so viel über Atomphysik gelesen, über den Spin, die Rotationsbewegung
von Elektronen und Protonen. Er hatte es anscheinend wieder vergessen. Und das,
obwohl ihn das Thema doch so beschäftigte. Früher lagen in allen möglichen
Ecken und Winkeln der Solaris die aufgeschlagenen Physikbücher herum. Und wenn
er darin las, brauchte er Tage für eine halbe Seite. Mit der Zeit verschwanden
die Bücher. S. glaubte dann, dass er das alles alleine in seinem Kopf ausarbeiten
konnte, und dass das wohl schon so stimmen werde, wie er sich das so ausmalte.
Mit halb geschlossenen Augen träumte S. sich in die feurigen Architekturlandschaften der Sonne hinein und stellte sich den weiteren Verlauf der Fontäne vor: erst stieg sie steil und scharf gebündelt auf, und in einer sanften Schneckenkurve umwand sie eine der Magnetfeldsäulen, schwang sich in einem großen Bogen über die Gewölbedecke hinweg, wobei sie sich immer mehr auffächerte...
Er wandte
sich wieder seinen Zeichnungen zu, er nahm einen weichen Bleistift und zeichnete
eine Brust, dazu einen Arm, seinen Arm. Der Arm berührte leise die Brust, und
die Brustbeere, mit der Innenseite des Unterarms, dort, wo er in das Armgelenk
übergeht.
Eine
kleine Zeichnung, doch war er stundenlang damit beschäftigt. Er schlief ein,
und er schlief sehr lange.
Als er
aufwachte, stand die schöne Lazu vor ihm und berichtete, dass die
Sonnenwindaktivitäten wieder bedenklich zugenommen hätten, die Richtungen der
Fontänen aber noch nicht genau zu bestimmen seien.
Er dachte
an das letzte Gespräch mit seiner ehemaligen Frau und Chefin, und plötzlich
fiel ihm wieder die Frage ein: „Tieftemperaturphysik, was soll das heißen, hier
geht es doch um extrem hohe Temperaturen?“ Er schickte ihr eine Nachricht, sie
solle möglichst bald antworten.
Protonenplasma ungeordnet
Ungeduldig ging er im Raum umher. Sie erschien auf dem Bildschirm: „Sie können mit Magnetfeldern extrem tiefe Temperaturen erzeugen. Sie bringen eine sogenannte metamagnetische Substanz in ein starkes Magnetfeld, die sich dadurch stark aufheizt, in dem Fall eine magnetisierbare Flüssigkeit. Angeblich wird dabei der Flüssigkeit keine zusätzliche Energie zugeführt. Ich versteh auch nicht warum, sie reden davon, dass sich die Entropie verringert. Die aufgeheizte Flüssigkeit im Magnetfeld strahlt dann die Energie ab, bis die Temperatur auf die Umgebungstemperatur abgesunken ist, welche natürlich auch schon möglichst niedrig sein sollte. Schalten sie dann das Magnetfeld ab, so fällt die Temperatur der Flüssigkeit schlagartig auf einen sehr niedrigen Wert ab. Und diesen Prozess wiederholen sie mehrmals.“
Sosehides verstand sehr wohl, was sich dort physikalisch
abspielte: den Flüssigkeitsatomen, die sich normalerweise in einer zappelnden
Bewegung in alle Richtungen befinden und dabei ständig aneinander anstoßen,
wird durch die Magnetisierung ein eingeschränktes Bewegungsmuster aufgezwungen.
Da aber die gesamte in ihr gespeicherte Bewegungsenergie gleichgeblieben ist,
muss sich diese Energie in den eingeschränkten Bahnen austoben, die Einzelbewegungen
der Atome werden also schneller, was sich in einer höheren Temperatur ausdrückt.
Wenn nun die Wärme an die Umgebung abgegeben wird, verringert sich die Gesamtenergie
der Flüssigkeit. Wird jetzt das Magnetfeld abgeschaltet, fällt die Flüssigkeit
in ihr altes Bewegungsmuster zurück. Mit der wiedergewonnenen Bewegungsfreiheit
verteilt sich die verbliebene restliche Bewegungsenergie, die Atome bewegen
sich in alle Richtungen, jedoch dementsprechend langsamer.
tanzende ungeordnete
Protonen
Etwas
Vergleichbares findet bei der Kristallisationswärme statt: die erst frei
beweglichen Flüssigkeitsatome werden bei der Verfestigung in dem Kristall dazu
gezwungen, sich entlang des Kristallgitters zu bewegen, wie Kugeln, die durch
ein regelmäßiges Muster von Gummibändern miteinander verbunden sind und nur in
Richtung der Gummibänder schwingen können.
Protonenplasma,
geordnet
Sie
wartete seine Antwort ab und beschäftigte sich, irgendwas machte sie mit ihren
Händen.
„Das ist
doch das, was ich immer gesagt habe, so ähnlich läuft das doch auch in der Sonnenkorona
ab, wenn Plasmaströme von der Sonnenoberfläche in den Weltraum hinausgeschossen
werden... “ brüllte S., er lief im Raum
auf und ab, fuchtelte mit seinen Zeichnungen herum und sprudelte los:
„ ...
Protonenplasma, also Gas aus ionisierten Wasserstoffatomen, die wegen der hohen
Temperatur ihre Elektronenhülle abgestoßen haben. Nur ihr Kern bleibt übrig,
der ja bei Wasserstoff bekanntlich nur aus einem Proton besteht.
Dabei
schießen die Protonen aber nicht wie Schrotkugeln aus einer Flinte von der
Sonnenoberfläche weg, das Plasma verhält sich vielmehr wie ein normales Gas:
innerhalb der Plasmawolke bewegen sich die Protonen kreuz und quer.
tanzende Protonen,
im Magnetfeld geordnet
Dabei
kommt es ständig zu Zusammenstößen. Die Protonen werden dadurch abgebremst und
in eine andere Richtung beschleunigt. Und da die Kollisionen nicht immer
frontal, sondern meist streifend sind, bekommen die Protonen einen Drall, einen
Spin, der sich mit jeder neuen Kollision wieder ändert, mit immer wieder neuen
Rotationsachsen. Die Geschwindigkeiten der geradlinigen sowie der rotierenden
Bewegungen bestimmen die Schwingungsfrequenzen der ausgesendeten Strahlung und
die Temperatur. Man kann es auch umgekehrt sagen: die Temperatur der
Sonnenoberfläche, die bei 6000°C liegt, bestimmt die Geschwindigkeiten der
Protonenbewegungen.
Mit den
Rotationen haben die Protonen auch jeweils ein Magnetfeld, da Protonen ja geladene
Teilchen sind, und Ladungsträger in Bewegung erzeugen Magnetfelder. Rotierende
Protonen sind wie kleine Stabmagnete, parallel zur den Rotationsachsen ausgerichtet. Da die Protonen ungeordnet
sind, sind auch deren Magnetfelder ungeordnet, sie heben sich gegenseitig auf.
Die Plasmawolke durchwandert zuerst mit hoher Geschwindigkeit die Hallen, die durch die Magnetfeldbögen gebildet werden, die großen Räume, die frei sind von Magnetfeldern. Doch irgendwann stößt sie auf die magnetischen Bögen und Gewölbedecken. Wie Kompassnadeln im Erdmagnetfeld wird den magnetischen Protonen eine Orientierung aufgezwungen. Damit bekommen auch die Rotationsbewegungen eine Vorzugsrichtung. Viele Abbrems- und Beschleunigungsvorgänge, die die Protonen bei den Zusammenstößen immer wieder in andere Richtungen und Drehungen kikken, fallen dadurch weg. Die ganze in der Plasmawolke gespeicherte Energie, welche den Protonen immer wieder einen neuen Kick mit einer neuen Rotationsrichtung gibt, konzentriert sich nun darauf, die Protonen in die Vorzugsrotation zu drehen. Dadurch werden die Rotationen um vieles schneller, und auch bei Zusammenstößen werden die Protonen schneller weggeschossen. Höhere Geschwindigkeiten der Teilchen eines Gases bedeuten höhere Temperaturen, so kommen die 2 Millionen °C in der Sonnenkorona zustande.
Anders
kann ich es dir nicht erklären...
Die
superheiße Plasmawolke strahlt dann verstärkt ihre Energie in den Weltraum ab.
Sie wird in ihrer rapiden Bewegung seitlich abgelenkt und abgebremst.
Irgendwann verlässt sie aber wieder den Bereich der starken Magnetfelder. Die
Protonen fallen dann wieder in ihr altes ungeordnetes Bewegungsmuster zurück.“
„Das kenne
ich doch alles schon von dir,“ hatte sie zu Beginn seines Vortrags
dazwischengefunkt, jetzt erreichte es ihn. „und es ist von der Institutsleitung
stets als unrealistisch abgetan worden. Ich bin die einzige, die dir überhaupt
noch zugehört hat. Vielleicht ist ja tatsächlich etwas Wahres dran. Dass es
solche Metamagnete gibt, Materialien, die sich erwärmen, wenn sie einem
Magnetfeld ausgesetzt werden, das ist ja bekannt. Es werden ja Kühlsysteme nach
dem Prinzip betrieben. Aber dass die 2 Millionen Grad in der Sonnenkorona auf
diese Art zustande kommen ist völlig unglaubhaft. Nachweisen kannst du es
nicht, und irgendwelche Ergebnisse aus Experimenten hast du auch nicht zu
bieten, wie solltest du auch, auf der Solaris?
Und auch
deine magnetische Wärmepumpe. Vielleicht hast du ja sogar recht, doch interessiert
das hier niemanden. Die Forschung am Fusionsreaktor wird das nicht behindern können,
nicht in den nächsten 100 Jahren. Deine Kollegen hatten nur darüber gelacht,
sie sagten, du wolltest die Idee vom Perpetuum Mobile wieder beleben. Die
Energie, die du bei deinem Gerät gewinnst, musst du vorher hineinstecken.“
Diese bunten Papageien haben doch keine Ahnung, dachte Sosehides. Doch
wenn er ehrlich war hatte er auch noch seine Zweifel. Wenn man den Vorgang in
der Sonnenkorona künstlich erzeugt, so steckt man tatsächlich in etwa so viel
Energie hinein, wie man herausholt. Man müsste die 2-atomigen Wasserstoffmoleküle,
in dieser Form liegt Wasserstoff normalerweise vor, auf mehrere 1000°C
erhitzen, um die magnetisierbaren Protonen zu erzeugen, dann einem starken
Magnetfeld aussetzen, um auf die hohen Temperaturen zu kommen, die man dann zur
Energiegewinnung nutzen kann. Doch gewinnt man im Wesentlichen das, was man
vorher hineingesteckt hat.
Vielleicht gelingt es aber, einen Metamagneten zu entwickeln, egal ob
Feststoff oder Flüssigkeit, ein Material, welches, wenn es bei Zimmertemperatur
einem starken permanenten Magneten ausgesetzt wird, sich auf sagen wir 150°C,
erhitzt. Man könnte damit Wasser zum kochen bringen und eine Dampfmaschine und
einen Stromgenerator betreiben. Der Metamagnet kühlt sich dabei wieder auf
Zimmertemperatur ab. Entfernt man den Metamagneten wieder aus dem
Einflussbereich des permanenten Magneten, so kühlt er sich noch weiter bis auf
Minusgrade ab. Mit diesem Vorgang im ständigen Wechsel könnte man also sowohl Energie
als auch Kälte erzeugen. Die einzige Energie, die man hineinstecken müsste, wäre
die Energie, um den permanenten Magneten und den Metamagneten zusammenzuführen
und wieder zu trennen.
„Ach, übrigens, beinahe hätte ich es andauernd vergessen dir zu sagen:
ich beschäftige mich seit einiger Zeit damit, mit so einer Art
Erd-Material, man kann es kneten.“ Sie
zeigte ihm ein kleines, seltsames undefinierbares Gebilde, welches sie in
beiden Händen hielt. „Ich mache daraus kleine Rollen, oder eckige Gebilde,
manchmal setze ich sie auch zusammen, zu Figuren oder Gegenständen. Es ist
schwierig, es wird spröde, ich muss es immer wieder feucht machen. Zum Schluss
muss ich es trocknen lassen, dann kann ich es in einem Ofen glühen, dann wird
es hart wie Stein.“
Er
erinnerte sich schwach daran, als Kind davon gehört zu haben, früher stellten
die Menschen aus Erde Sachen her und härteten sie im Feuer,
Gebrauchsgegenstände, ja sogar Trinkgefäße.
„Oder einfach
eine Kugel. Du glaubst gar nicht, wie schwer es mir fällt, mit meinen Händen
eine einfache Figur wie eine Kugel zu formen, oder so etwas. Und das, wo ich
doch mein Leben lang an der Gestaltung von Automaten, Maschinenmenschen und
Kraftwerksanlagen mitgewirkt habe.“ Ein seltsames Gefühl kam in S. auf, Neid,
oder Neugier? „Ich komme mir auf einmal vor wie ein kleines Kind. Momentan sind
mir aber die Ideen ausgegangen.“ Da würde ihm schon etwas einfallen, dachte Sosehides.
„Was
starrst du mich so an?“ Er zuckte mit den Schultern. Während seines Vortrags
hatte er gespürt, was sie über ihn und seine Ideen dachte, bzw. was sie denken
werde, wenn nach einigen Minuten seine Botschaften bei ihr angekommen sein
werden. Über die Jahrzehnte hinweg hatte sich zwischen ihr und ihm eine Art
Gedankenübertragung entwickelt, die eine gleichzeitige, wenn auch bruchstückhafte
Kommunikation ermöglichte.
„Übrigens hast du meinen 100-sten Geburtstag vergessen. Ich höre demnächst bei Erdenergie auf.“ Er erschrak, sie waren doch gleich alt, dann musste er ja auch über 100 Jahre alt sein, er rechnete nach. „Ich werde dann nur noch als Berater für Erdenergie tätig sein.“
Und wie
immer am Ende des Gesprächs stand sie auf, wandte sich um, bevor sie sich ganz
umgedreht hatte schaltete das Bild ab. Er versuchte noch, den flüchtigen
Eindruck aufs Papier zu bringen, ihre Gestalt in der Bewegung, schräg von
hinten, vollkommene Proportionen, ihr schönes Hinterteil, sich entfernend...
Noch stundenlang zeichnete er weiter, vervollständigte die Bruchstücke,
benutzte sie als Vorlage für weitere Körperstudien, suchte in seinen Erinnerungen
und kramte in alten Skizzen.